edit: falsches Bild ersetzt (der gesandstrahlte Sattel!)
Der Hintergrund:
Ich hab da noch so einen ollen Canada NA in schlumpfblau rumstehen. Der soll demnächst mal an den Mann/Frau gebracht werden. Und weil ich keine Sachen verkaufe die in irgendeiner Weise unbrauchbar sind, schaue ich mir den Wagen genau an und setze alle defekten Teile wieder instand. Eine große Durchsicht eben...
Ok, der Hobel ist 22 Jahre alt und hat knappe 200tkm runter. Da sind dann doch so einige Dinge zu erledigen.
Nun waren die Bremsen an der Reihe, vorne hatte ich bereits alles gemacht dann kam die Hinterachse dran. Rechte Seite Rad runter und Überraschung: ein neuer Bremssattel.... goil ?..
Na dann bin ich wohl gleich durch! Linke Seite Rad runter....Ok, noch ein alter Sattel. Der Versuch den Handbremshebel in irgend einer Weise zu bewegen scheiterte, der Inbus für die Rückstellung auch bombenfest. Der kleine Gleitbolzen: ein Bild des Jammers! Gut, dann eben Überstunden... ?
Also dann, Sattel runter, Sattelträger ab.
Auf der Werkbank dann den Sattel mal in Augenschein genommen:
http://img716.imageshack.us/img716/4782/p1010445eb.jpg
Na hier ist eine Komplettüberholung notwendig!
Kleiner Tip:
Wenn eure Bremse defekt ist und die Ursache liegt am Sattel, dann habt ihr folgende Möglichkeiten:
1.) Werkstatt: Mit Sicherheit die teuerste aber einfachste und sicherste Variante. Hier bekommt ihr Garantie auf die Teile sowie die ausgeführte Arbeit. Leider kostet der Austausch auch ein Vermögen (und ob alles richtig gemacht wird sei dahingestellt)
2.) Selbst komplett austauschen! Verlangt eine gewisse Portion Ahnung, Werkzeug sowie einen sauberen Arbeitsplatz. Auch hier gibt es mehrere Optionen: Original Ersatzteil: wie schon oben, teuer aber eben weitgehend problemloses Austauschen; vertrauenswürdiger Zubehörmarkt: hier kann man ein wenig Geld sparen; ebay Billiganbieter: naja, da gibt es wohl unterschiedliche Meinungen zu... kleine Anmerkung: wenn kein original Sattel genommen wird sollten die Sättel beidseitig getauscht werden da mitunter die Hebelarme der Handbremse unterschiedlich sind was zu ungleichmäßiger Handbremswirkung führt.
3.) Sattel instandsetzen! Und genau hier möchte ich detaillierter darauf eingehen! Allerdings sollten sich hier nur geübte Schrauber ranwagen, man benötigt das ein oder andere Spezialwerkzeug und man muss penibel sauber arbeiten. Und nicht immer ist der Sattel instandsetzbar!
Schritt 1: Sichtkontrolle:
Nun, beim ersten Betrachten fällt halt direkt auf dass dieser Sattel einen runtergekommenen Eindruck macht. Äußere Beschädigungen sind aber nicht zu sehen.
Schritt 2: Zerlegen: das kann eine ordentliche Sauerei (Bremsflüssigkeit, Dreck) geben daher alte Lappen unterlegen oder in einer geeigneten Wanne arbeiten.
Man kann den Sattel komplett in seine Einzelteile zerlegen! Benötigtes Werkzeug:
14er und 8er Maulring Schlüssel
Spitzzange
Wasserpumpenzange
4er Inbus T-Griff
Seegeringzange (mit möglichst langen Schenkeln ? und kleinen Dornen)
O-Ring Tool ( so eine Art Haken zum Rauspuhlen der O-Ringe bzw Wiedereinsetzen)
Zunächst alles Abschraubbare lösen: Bracket für Handbremsseil, Verschlußschraube der Rückstellung, Entlüfternippel, Bremsleitung. Feder am Handbremshebel aushängen, die beiden Gummitüllen der Gleitbolzen entfernen...
Kleine Anmerkung: Ja, es heißt korrekterweise Inbus! Imbus wird in der Umgangssprache zwar auch akzeptiert aber es steht eben für den Markennamen der Fa Inbus!
Genau, jetzt muss der Kolben raus! Dazu dreht man besagten Inbus der Rückstellung gegen den Uhrzeigersinn bis der Kolben sich nicht weiter raus bewegt! Achtung: Wenn dies schwergängig ist oder sich gar nicht drehen läßt, nicht weiterdrehen. Dann mit einer Wasserpumpenzange am Kolbenende anpacken (also quasi an dem Stück was aus der Dichtung rausschaut). Bitte nur so fest zupacken dass man den Kolben drehen kann. (nicht abrutschen oder mit aller Gewalt zudrücken, dann sind Macken die Folge!). Jetzt vorsichtig den Kolben drehen (aufschrauben! Also gegen den Uhrzeigersinn). Dabei den Inbus gegenhalten..wobei der sich nicht drehen läßt weil er ja festgebacken ist... . Irgendwann ist man am Ende des Gewindes, nun kann man den Kolben von Hand rausziehen (Achso, die Dichtmannschette natürlich vorher aus der Kolbennut rauspopeln).
Soweit, die Minimalzerlegung. Im Kolben befindet sich ein Teil der Nachstellung. Auch diese kann man weiter zerlegen. So schauen die Teile aus:
http://img580.imageshack.us/img580/2701/p1010456wf.jpg
Der Betätigungsbolzen mit dem Steilgewinde befindet sich noch im Sattelgehäuse. Dafür benötigt man eine spezielle Seegeringzange. Danach kann man den Bolzen herausnehmen. Darunter befindet sich ein Druckstück. Erst jetzt kann man den Handbremshebel raushebeln. Falls die Rückstellung festsaß kann man diese nun vorsichtig durch den Bremszylinder her austreiben. (normalerweise kann man ihn aber durch Verkanten des Inbusschlüssels auch so nach außen ziehen). Zu Letzt die Kolbenvierkantdichtung und die Dichtung des Handbremshebels entfernen. Auf dem folgenden Bild sieht man nun alle Bauteile: (leider etwas dunkel geraten..)
http://img600.imageshack.us/img600/8532/p1010446ll.jpg
Man kann es vielleicht nicht besonders gut sehen aber folgendes stach direkt ins Auge:
Die Gummiteile waren hin! Gummi ist ein organischer Stoff. Er altert! Und das tut er umso schneller desto schlechter die Randbedingungen sind. UV-Licht, Hitze, Kälte, Reiniger, Bremsflüssigkeit usw sprengen die langkettigen Moleküle, die Weichmacher schwinden und das Material verliert seine elastischen Eigenschaften. Manchmal verlieren sie auch völlig ihre Form und quellen auf. Also bitte mal darüber nachdenken wenn ihr mit scharfem Lösungsmittel, ungeeigneten Schmierstoffen oder mit ausgelaufener Bremsflüssigkeit an der Bremse hantiert, ebenso ist ein Dampfstrahler denkbar ungeeignet! Das unter hohen Druck stehende Wasser unterwandert spielend eine Mannschette bzw Dichtung. Ist das Wasser erstmal unter der Dichtung nimmt das Schicksal seinen Lauf. Auch Schmierstoffe werden im Laufe der Zeit zäh.... wie dem auch sei, das Resultat ist eine nicht funktionierende Bremse! Bei mir waren alle Dichtungen verschlissen, die Restbremsflüssigkeit hatte soviel Dreck und Wasser gebunden, sie sah aus wie zäher roter Schleim. Am unteren Ende des Entlüfternippels deutliche Zeichen von Korrosion (also Bremsflüssigkeit mit Wasseranteilen..) außerdem hatte ein Spezi diesen mal so stark angezogen dass die innere Luftbohrung schon gequetscht war.
http://img442.imageshack.us/img442/7725/p1010453vo.jpg
Und zu Letzt der Kolben: an diesem sah man deutlich dass die Staubmannschette nicht mehr ordentlich abgedichtet hat. Der eingedrungene Schmutz und Feuchtigkeit haben dann die Vierkantdichtung des Kolbens angegriffen (man sieht auf dem Bild wie ausgefranst diese schon ist). Leider hat die Vierkantdichtung nicht nur die Aufgabe den Kolben gegen die Bremsflüssigkeit abzudichten sondern sie erfüllt noch eine weitere wichtige Funktion: sie wirkt wie eine kleine Gegendruckfeder. Sie stellt das wichtige Lüftspiel her damit der Belag nicht direkt an der Scheibe anliegt. Das geschieht durch das Verkanten wenn sich der Kolben bewegt. Ist diese Dichtung nun ausgefranst, so schiebt sich der Kolben beim Bremsbetätigen zwar aus dem Sattel heraus aber er stellt sich nicht mehr zurück. Folge: Überhitze Bremsen eventuell Totalversagen.
http://img856.imageshack.us/img856/4654/p1010447w.jpg
http://img338.imageshack.us/img338/2498/p1010455yu.jpg
hier ein Bild vom Handbremshebel, dessen Dichtung und dem Dichtsitz im Sattel! Deutlich sind der Verschleiß und die Folgeschäden zu erkennen:
http://img405.imageshack.us/img405/9233/p1010448nj.jpg
http://img16.imageshack.us/img16/5008/p1010452th.jpg
So weit so schlecht!
Bis hierhin kann man noch keine Aussage treffen ob es sich lohnt den Sattel zu überholen. Noch hat man kein Geld ausgegeben und kein Teil zusätzlich beschädigt. Also reinigt man zunächst mal alle Teile. Ich hab sie über Nacht eingesprüht und den Reiniger etwas einwirken lassen. Danach mit einem kurzen Rauhhaarpinsel im Teilereiniger abgebürstet. Eins vorweg: An einem neuen Dichtsatz kommt niemand vorbei, die alten müssen entsorgt werden. Ebenso benötigt man neue Kupferringe für die Bremsleitung und die 14er Abdeckschraube für die Rückstellung.
Hier die Altteile:
http://img502.imageshack.us/img502/3851/p1010458d.jpg
Apropos Dichtsatz: man kann bei Mazda kaufen (teuer), bei IL-Motorsport bekommt man die Teile etwas günstiger bzw im gutsortierten Zubehörmarkt oder aber bei ebay! Aber bitte nicht den Billigdreck aus Tcheschien (z.Bsp.: Autofren), diese Dichtungen sind echt minderwertig!
So, jetzt hat man die zerlegte Bremse wieder vor sich liegen, hier sieht man nochmal die Bauteile der Handbremsmechanik bzw Nachstellung:
http://img27.imageshack.us/img27/4170/p1010459zo.jpg
http://img805.imageshack.us/img805/5988/p1010460b.jpg
Ganz links, das ist der angesprochene Bolzen mit Steilgewinde der für die Rückstellung zurückgedreht wird. Über dieses fette Gewinde wird die Kraft übertragen! Und jeder der etwas Ahnung von Mechanik und Festigkeitsberechnungen hat erkennt, dass es niemanden auf der Welt gibt, der einen Bremssattel zerstören kann wenn er versucht mit der Schraubzwinge den Kolben zurückzudrücken!
Ein Märchen! ?
Es geht halt einfach nicht! Man bekommt den Kolben nicht zurückgedrückt (ok, 2-3mm wegen der Federscheiben im Mechanismus) aber man zerstört auch nichts! Höchstens wenn man eine hydraulische Pressvorrichtung nimmt. Ich habe im Selbstversuch die beweglichen Teile eines alten Sattels (Danke an die kostenlose Gabe eines Forenmitgliedes) in einen dicken Schraubstock eingespannt und mit aller Kraft zugezogen. Die Teile waren danach genauso beweglich wie vorher auch, es gab keine Längenänderung des Bolzens (mit Micrometer gemessen) und Verformungen am Gewinde waren auch mit der Lupe nicht erkennbar. Und mit einem Schraubstock erzielt man erheblich höhere Kräfte als mit einer Schraubzwinge... Die weiteren beteiligten Teile wie Kolben und Sattel sind natürlich ebenso massiv dass sie der Belastung standhalten. Also bitte...was soll da kaputt gehen??
Ich denke dass der jeweilige Sattel (der angeblich nach Rückstellversuchen mit Zwinge defekt war) in einem ähnlichen Zustand wie mein Beispielsattel war und schon vorher festgegammelt war. Der Versuch nach dem Belagwechsel zurückzudrehen scheiterte dann daran bzw die Bremse ging fest!
Anmerkung: an dem besagten Bolzen befindet sich ein O-Ring! Ist dieser verschlissen drückt sich Bremsflüssigkeit daran vorbei und kommt dann entweder an der Dichtung Handbremshebel raus oder/und sie sammelt sich unter der 14er Abdeckschraube der Rückstellung.
http://img90.imageshack.us/img90/453/p1010461h.jpg
den Kolben habe ich vorsichtig mit einem Scotch Vlies abgezogen, Ventilschleifpaste tut es auch (bitte nur ganz vorsichtig weil die Chromatschicht nicht beschädigt werden darf).
Das kleine Teil links neben dem Kolben mit Verzahnung ist das Rückstellelement wo der 4er Inbus eingesteckt wird. Sitzt die Verstellung fest und dreht mit Gewalt, schert die Verzahnung ab. Das Teil gibt es aber einzeln!
Jetzt beurteilen wir mal den Gesamtzustand:
Ob ein Sattel noch zu gebrauchen ist, hängt von 3 Dingen ab:
1. Ist die Chromschicht des Bremskolben noch vollständig vorhanden. Hat er Riefen oder ist er verrostet?
2. Die Kolbenlaufbahn im Sattel. Ist diese oxidiert oder weißt sie Riefen auf?
3. Die Dichsitze aller Dichtungen müssen eine Abdichtung gewährleisten
Natürlich kann man einen neuen Kolben kaufen, die Dichtflächen nachbearbeiten usw aber hier übersteigt der Arbeitsaufwand und die Kosten ein Neuteil.
In meinem Fall waren alle drei Dinge aber noch in akzeptablem Zustand.
Also dann mal ab zum Sandstrahlen... (so ein Gerät steht natürlich in jedem Hobbykeller... ? Spässle)
http://imageshack.us/a/img600/9413/p1010463yh.jpg
und nu schaut das Ganze doch recht ordentlich aus! Gründlich vom Staub sauber machen, Dichtflächen, Kolbenlaufbahn, Gewinde usw gut abdecken und dann Lack drauf. Ich hab hitzefesten schwarzen Lack genommen.
http://img441.imageshack.us/img441/8820/p1010465b.jpg
Jetzt geht es an den Zusammenbau! Natürlich in umgekehrter Reihenfolge wie das Zerlegen...
Ich gehe mal davon aus dass die Nachstellmachanik im Kolben verbleibt bzw wieder korrekt zusammengebaut wird.
1.) Dichtung Handbremshebel. Ich habe sie mit etwas Flüssigdichtmittel von Loctite am Bund benetzt. Sie läßt sich vorsichtig mit dem Daumen bis zum Anschlag eindrücken. Die Dichtlippe mit etwas ATE Bremspaste benetzen (Plastilube-Allzweckschmiermittel).
2.) Handbremshebel einschieben. Die Laufbahn dünn mit Schmiermittel benetzen und die Aushöhlung damit füllen. Dort sitzt später der Druckbolzen drin.
3.) Feder für Handbremshebel einhängen (Zange)
4.) Jetzt kommt der tricky Teil: Die Betätigungschraube mit dem Druckbolzen muss eingebaut werden! Die Schraube mit einem neuen O-Ring versehen (ebenfalls leicht mit Bremspaste bestreichen). In die Ausspaarung am unteren Ende (dort wo die Verzahnung sitzt) ebenfalls ordentlich Fett rein und dann den kleinen Druckbolzen lose reindrücken. Man nimmt die beiden Teile dass der Bolzen nach oben schaut und balanciert diesen mittig. Den Bremssattel in die andere Hand nehmen und die Schraube langsam von unten einführen (aufpassen dass der lose Druckbolzen nicht wegkippt!). Wenn die Schraube bis zum Anschlag drin ist den Sattel umdrehen (Zylinderlaufbahn nach oben) und den Seegering wieder einclipsen. Funktionstest: den Handbremshebel verdrehen, dann muss sich die Betätigungsschraube bei leichtem Daumengegegndruck merklich hochbewegen.
5.) Vierkantdichtung mit Bremspaste in die Nut einsetzen.
6.) Staubmannschette auf den Kolben aufschieben (nicht schon jetzt in die dortige Nut einflutschen lassen sondern am unteren dicken Ende des Kolbens platzieren, sodaß der restliche Teil der Dichtung übersteht) Jetzt den Kolben so im Sattel platzieren dass die Staubschutzmannschette in die dortige Nut eingesetzt werden kann. Der Kolben kann leicht auf das Gewinde aufgeschraubt werden.
7.) Das Rückstellrädchen einsetzen (ebenfalls leicht gefettet). Damit läßt sich jetzt bequem der Kolben zurückfahren (und das geht jetzt so schön einfach... ?). Soweit zurückdrehen bis irgendwann die Staubschutzmannschette in die Kolbennut flutscht., und dann bis zum Anschlag weiter zurück. Abdeckschraube mit neuem Kupferring lose aufschrauben (damit das Rückstellelement nicht rausfallen kann). Noch nicht festziehen weil später noch die Grundeinstellung gemacht werden muss.
8.) Die Staubschutzmannschetten der Gleitbolzen einsetzen (mit etwas weißer Vaseline flutscht´s besser )
9.) Entlüfternippel und Handbremsseilbracket anschrauben
10.) Freuen ?
http://img842.imageshack.us/img842/7848/p1010466a.jpg
Und nun das ganze wieder einbauen (im Technikteil bereits beschrieben!)
So, viel geschrieben (vielleicht manchmal umständlich oder unverständlich...) aber eventuell kann es jemand brauchen. Jetzt bremst er jedenfalls wieder ordentlich und der neue Besitzer wird auch länger noch was davon haben. Investiert habe ich:...nichts..weil ich noch so einen Dichtsatz für rund 20.- rumliegen hatte
(Dieser Text soll als Hilfestellung dienen. Bitte beachtet dass es sich hierbei um ein sicherheitsrelevantes Bauteil handelt. Für eventuell entstehende Schäden übernehme ich keinerlei Haftung!)
für Korrekturen, Anmerkungen, Anregungen bin ich zugänglich...